Welches Servicelevel ist richtig?
Callcenter setzen sich regelmäßig mit dem richtigen Servicelevel auseinander. Nur selten ist es sinnvoll, 80 % der Anrufe in nur 20 Sekunden anzunehmen. Das Servicelevel 80/20 ist nicht nur populär, sondern anspruchsvoll und kostspielig. Der Legende nach veröffentlicht der US-amerikanische Telekommunikationsdienstleister AT&T vor über 20 Jahren eine Studie zu diesem Servicelevel. In den folgenden Jahren etabliert sich die Kennzahl weltweit. Aber was hat der Kundenservice heute mit AT&T in den USA zum Jahrtausendwechsel gemeinsam? Nichts.
Der Gedanke liegt nahe, dass das Servicelevel mit dem bekannten Paretoprinzip zusammenhängt. Demnach sollte man 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Aufwandes erreichen. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse erfordern mit 80 % des Aufwandes die quantitativ meiste Arbeit. Demnach fokussiert man sich auf die effizienten 80 % der Ergebnisse. Natürlich gibt es keinen Zusammenhang zwischen einem optimalen Servicelevel und dem Paretoprinzip. Die Zahlen 80/20 sind zwar identisch, sagen aber völlig andere Dinge aus. Pareto ist kein Argument für das Servicelevel 80/20. Lassen Sie uns den Wert 80/20 zur Steuerung im Kundenservice einfach mal vergessen und einen Schritt zurückgehen. Was ist das oberste Ziel bei der Callcenter Steuerung?
Servicelevel, Servicelevel-Agreement & Erreichbarkeit
Was ist ein Servicelevel-Agreement (SLA)?
Ein Servicelevel-Agreement (abgekürzt: SLA, zu deutsch: Dienstleistungsgütevereinbarung) ist eine Vereinbarung zwischen einem Dienstleistungsanbieter und seinem Kunden. Im Callcenter kann ein SLA sowohl unternehmensintern festgelegt, als auch mit einem externen Überlaufdienstleister vereinbart sein. Es definiert die zu erbringenden Serviceleistungen, Qualitätsstandards, Verantwortlichkeiten, und manchmal auch die Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung. SLAs sind besonders in der IT-Branche verbreitet, kommen aber auch in anderen Dienstleistungssektoren vor. Sie dienen dazu, Transparenz zu schaffen und die Erwartungen beider Parteien klar zu definieren.
Ein effektives Service-Level-Agreement (SLA) ist entscheidend für die Aufrechterhaltung einer vertrauenswürdigen und leistungsfähigen Beziehung zwischen Dienstleistern und ihren Kunden. Ein gut gestaltetes SLA stellt sicher, dass die Erwartungen beider Parteien klar definiert und erfüllbar sind
Typen von Servicelevel-Agreements im Kundenservice
- Reaktionszeit-SLAs: Hierbei wird für eingehende Kundenanfragen eine maximale Antwortzeit festgelegt. Diese Service-Level-Kennzahl stellt sicher, dass Kunden nicht unnötig lange auf eine Antwort oder ein Update warten müssen. Besonders die Reaktionszeit ist ein kritischer SLA-Wert, da sie den Kunden signalisiert, dass ihr Anliegen bearbeitet wird.
- Lösungs-SLAs: Jedem Kundenanliegen wird auch eine Frist zugeordnet, innerhalb derer das Ticket abgeschlossen sein muss. Diese SLAs gewährleisten, dass die Kundenanfrage nicht nur schnell, sondern auch zufriedenstellend gelöst wird.
- Anliegen-basierte SLAs: Spezifische Anliegen, wie Serverausfälle oder technische Probleme, erfordern besonders schnelle Reaktions- und Lösungszeiten. Solche problembasierten Service Level Agreements weisen daher bestimmten Support-Tickets spezielle Fristen zu.
Das Servicelevel hat ein ganz konkretes Ziel und fällt nicht einfach so vom Himmel. Es soll gezielt die Erreichbarkeit im Kundenservice verbessern. Die Erreichbarkeit ist als Kennzahl einfach konzipiert:
- Entweder bleiben Anrufer in der Warteschleife und es kommt zum Gespräch. In dem Fall ist die Erreichbarkeit natürlich positiv.
- Oder Anrufer legen vorzeitig auf und die Erreichbarkeit ist negativ. Problematisch ist, dass Aufleger wieder anrufen und das Callvolumen erhöhen. Dazu später mehr.
Die Kennzahl Erreichbarkeit ist schwarz-weiß. Entweder wurde der Mitarbeiter erreicht oder der Anrufer legt vorher auf. Die wichtige Vermeidung von Auflegern ist folglich die zentrale Herausforderung bei der Steuerung von Erreichbarkeit. Ohne Aufleger gäbe es keine Herausforderung.
Und genau hier kommt das Servicelevel ins Spiel. Der einzige Sinn und Zweck des Servicelevels ist die Vermeidung von Auflegern und Wiederwählern. Das richtige Servicelevel leitet sich direkt aus der individuellen Auflegerstatistik ab. Callcenter prüfen zuerst die Auflegerstatistik in der Telefonanlage. Dort gibt es einen Zeitpunkt mit einem signifikanten Anstieg der Aufleger. Kurz vor diesem Anstieg liegt das optimale Servicelevel.
Besonders bei den Kennzahlen und Kosten werden die negativen Effekte von Auflegern und Wiederwählern unterschätzt. Daher lohnt ein Blick in die Details und eine einfache Beispielrechnung:
- Ein Callcenter hat 100.000 Anrufe und nimmt davon 70.000 an. Das Ergebnis ist eine Erreichbarkeit von 70 % mit 30 % Auflegern.
- Im ersten Schritt werden Anrufer optimal zu verteilt und die Effizienz um realistische 10% erhöht. Das Team nimmt nun 77.000 Anrufe an und hat eine Erreichbarkeit von 77 %.
- Weniger Aufleger reduzieren die Wiederwähler. Das Callvolumen sinkt und es rufen nur noch 90.000 Kunden an. Die Erreichbarkeit steigt von einst 70 % auf neu 86 %.
Die Verbesserung erzielen Callcenter durch die Kombination aus innovativer Technologie und gezieltem Consulting. Durch den richtigen Einsatz der Software halbieren Callcenter die Aufleger. Bei 50 % Erreichbarkeit gibt es 50 % Aufleger. Neu gibt es nur noch 25% Aufleger und entsprechend 75 % Erreichbarkeit. Bei 90 % Erreichbarkeit gibt es 10 % Aufleger. Mit ServiceOcean gibt es nur noch 5 % Aufleger und entsprechend 95 % Erreichbarkeit.
Abbildung: Erfolge im Callcenter
Alternativen zum Auflegen
Warum legen manche Kunden eigentlich auf und rufen wenig später wieder an? Die Psychologie des Auflegens unterscheidet zwei Anrufertypen:
- Soforties rufen den Kundenservice an und wollen sofort Jemanden sprechen. Wenn dies nicht gelingt, wird aufgelegt und zeitnah immer wieder angerufen.
- Warties rufen an und wollen nur nicht warten. Dieses Kunden entscheiden sich für Alternativen zum Auflegen. Wiederwähler werden wirksam vermieden.
Innovative Rückrufe und ein spezieller IVR-Dialog wandeln Soforties in Warties. Die richtige Rückruf-Variante richtet sich nach den individuellen Zielen und Prozessen in einem Callcenter. Berechnungen beginnen bei den vorhandenen Kapazitäten und eben nicht bei den wartenden Anrufern. Eine kanalübergreifende Terminsynchronisation in Echtzeit für Warteschleifen und Websites zählt zu den wichtigen Anforderungen:
- Termin-Rückrufe erfolgen minutengenau zu einer bestimmten Uhrzeit. Etwa 92% der Rückrufe erreichen den Kunden pünktlich dank Terminbestätigung und -erinnerung.
- Alternativ geben individuell einstellbare Zeitfenster kleinen Teams und Einzelpersonen mehr Flexibilität und Kunden mehr Planungssicherheit bei Rückrufen.
- Bei einer kurzfristig freien Kapazität stehen auch dynamische Sofort-Rückrufe zur Verfügung. Anrufer erhalten bspw. innerhalb der nächsten 2 Minuten einen Rückruf.
- Erfolgt der Rückruf nicht zum Termin oder sofort, verbessert die virtuelle Warteschleife das Kundenerlebnis. Anstelle des Anrufers wartet die Software auf den Agenten.
- Freiwilliges Warten ist auch eine Option! Anrufer entscheiden sich erstmals freiwillig für eine Warteschleife und legen nicht auf. Wichtig ist die neue Entscheidungsfreiheit.
Neues Servicelevel 100/ 60
Es wird Zeit für ein neues Servicelevel! Die Digitalisierung der Callcenter ermöglicht sogar ein Servicelevel von 100/ 60. Demnach erhalten alle Anrufer innerhalb von 60 Sekunden realistische Angebote für ein Telefonat ohne Wartezeit. Durch die Alternativen kann jeder Anrufer die beste Lösung für sich wählen. Die Rückrufoptionen haben keine Wartezeit, senken deutlich die Kosten und erreichen den Kunden präzise zum gewählten Zeitpunkt.
Genauso funktionieren heute Customer Centricity und ein professioneller Kundenservice auf Augenhöhe mit den Kunden. Neue Technologien segmentieren Anrufer erstmals nach Ihren wahren Bedürfnissen direkt in der Warteschleife. Damit lösen Callcenter eines der wichtigsten Kundenbedürfnisse.
Super Warteschleife
Harsche Kritiken an Warteschleifen können unangebracht sein. Es sei daran erinnert, dass der normale Kundenservice für Anrufer kostenlos ist. Ein Mitarbeiter bearbeitet etwa 12.000 Anrufer pro Jahr. Bezieht man die Gesamtkosten auf einen Anruf, so kostet jedes Gespräch mindestens 3 Euro. In diesem Umfeld garantieren Warteschleifen eine hohe Auslastung und Kosteneffizienz. Ohne Warteschleife gäbe es keinen kostenlosen Kundenservice. Wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte:
- Kurze Warteschleifen sind wichtig. Die richtige Kürze ergibt sich aus der Auflegerquote und findet sich im Servicelevel wieder. Gute Richtwerte liegen zwischen 30 bis 90 Sekunden.
- Lange Warteschleifen verursachen viele Aufleger und Wiederwähler. Der Effekt der Wiederwähler ist sehr kostspielig. So treten Innovationen zur Vermeidung von Auflegern in den Mittelpunkt.
Die Kosteneffizienz muss mit dem Nachteil der Kundenunzufriedenheit verrechnet werden. Wichtig ist der Zeitpunkt, ab dem Wiederwähler zu teurer sind und Kennzahlen unter Druck setzen.
Spannende Diskussionen über Erreichbarkeit und Servicelevel zeigen die Komplexität des Themas. Alte Standards, wie eine Erreichbarkeit von 80 % und ein Servicelevel von 80/20, gelten heute nicht mehr. Beide Kennzahlen sind im Zuge von Digitalisierung, Customer Centricity und Kostendruck zu hinterfragen. Die Erreichbarkeit in Service und Vertrieb braucht Innovation bei Technologie und Consulting.
Führungskräfte in Service und Vertrieb interessieren sich kaum detailliert für Technologien. Denn der Erfolg einer Software sollte letztlich in Kennzahlen und Euros gemessen werden. Diese Erfolgsmessung leisten innovative Ansätze vor und während der Zusammenarbeit. So sind erfolgreiche Projekte mit deutlich mehr Erreichbarkeit, einem optimalen Servicelevel und attraktiven Kosteneinsparungen garantiert.
Fazit
Das Servicelevel dient dem optimalen Gleichgewicht aus Erreichbarkeit und Kosten. Die Auflegerstatistik gibt dabei das Servicelevel vor. In der Steuerung gilt es, Aufleger und Wiederwähler zu verhindern. ServiceOcean bietet attraktive Alternativen zum Auflegen und steigert durch die Kombination aus Software und Consulting die Erreichbarkeit und das Servicelevel.
Dr. Alexander Schagen ist Co-Gründer der ServiceOcean AG. Die Firma mit Standorten in Köln und St.Gallen kombiniert Software und Consulting für beste Kennzahlen in der Inbound- und Outbound-Telefonie: www.serviceocean.com